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Live bei: Behemoth – „In Absentia Dei“ Livestream (05.09.2020)

Als wir uns letzte Woche mit Nergal unterhielten, versprach er uns mit „In Absentia Dei“ eine feurige Show, wie sie ...

VON AM 11/09/2020

Als wir uns letzte Woche mit Nergal unterhielten, versprach er uns mit „In Absentia Dei“ eine feurige Show, wie sie die Welt des Heavy Metal noch nie gesehen hat. Am Samstag, den 5. September war es für Behemoth soweit, das unter Beweis zu stellen. Und wenn abbrennende Kreuze, die auf dem Kopf stehen schon zu viel für euch sind, dann habt ihr jetzt noch die Chance auf Verzicht…

Imperial Triumphant

Bevor Behemoth die Apsis der leerstehenden Kirche jedoch betreten ist es Zeit für das Happening um Imperial Triumphant. Die Band aus New York City versteht sich wohl eher als Kunstprojekt und Auslebung des NYC Avantgardismus – denn das was hier geboten wird, ist vor allem eines: unkonventionell. Rhythmisch vertrackt, technisch anspruchsvoll und mit jeder Menge NYC Jazz im Blut agieren Imperial Triumphant in ihrem eindrucksvollen Image. Dazu gesellt sich hin und wieder eine Trompete, die fast schon gegen die anderen Instrumente anzuspielen scheint, im Kern aber genau dort verwurzelt ist, wo Imperial Triumphant musikalisch agieren.

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Überforderung ist ein Begriff, mit dem sich sicher viele Zuschauer beim Bestaunen des Support-Acts identifizieren konnten. Die Fülle des Ganzen war beeindruckend, aber auf eine anstrengende Art und Weise so viel tiefschichtiger, als das, was ein Durchschnitts-Behemoth-Fan von einer Death- bzw. Black Metal-Band erwartet.

Dass sich Behemoth aber für eine Band wie Imperial Triumphant entschieden haben, unterstreicht, wie wichtig ihnen musikalische, sowie visuelle und theatralische Integrität sind. Einen passenderen Act hätte man für die Bildgewalt des Hauptprogramms vielleicht gar nicht wählen können.

Behemoth

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Unterteilt in vier Akte boten Behemoth eine Setlist, die mit 19 Tracks auch einige Überraschungen inne hatte. Eingerahmt in kurze Filmsequenzen fokussiert sich der Livestream, ähnlich wie ein Horrorfilm, vor allem auf den Ort des Geschehens – die verlassene Kirche, die mit Feuerkelchen ausgeleuchtet wird und Behemoth in einer unfassbar beeindruckenden Location zum Besten gibt.

Bereits der dokumentarische Teil des Projekts offenbart, dass hier jede Menge Arbeit, Geld und Leidenschaft im Spiel ist. Während Nergal das Areal zeigt und erklärt, dass bereits das Video zu „Blow Your Trumpets, Gabriel“ an diesem Ort entstanden ist, wird klar, wie groß das Team um „In Absentia Dei“ gewesen sein muss. Massen an Technik stehen in den verlassenen Ruinen der Kirche, die eine perfekte Kulisse für den von Behemoth angedachten Zweck bietet.

Unterteilt ist „in Absentia Dei“ in vier Akte, die jeweils von einzelnen Schauspielern erweitert wurden. So etwa ein Tanz im ersten Akt, der mit „Wolves Ov Siberia“ und „Prometherion“ direkt offenbart, dass dieses Konzert keine Kompromisse kennt. „From The Pagan Vastlands“ ist ein Song aus dem Jahr 1993 und klingt überraschend wenig nach den Behemoth, wie man sie heute kennt. In Kamerafahrten über der Kirche visualisiert sich ein Blitzlichtgewitter, das den Ort des Geschehens zusätzlich zur Musik erschüttert. Ähnlich durchmischt strukturierte sich die ganze Setlist, die auch viele Perlen, die es lange nicht zu hören gab, darbot.

Audiovisuelles Gesamtkunstwerk

Alleine die Musikvideos von Behemoth verstehen sich als kleine Kunstwerke mit ausdrucksstarken Bildern. So unter anderem Negal, der Blut spuckte, sowie die verschiedenen Kostümierungen, die es auch bei Livekonzerten der Band zu bestaunen gibt. Doch inmitten von Tänzen gab es eine Szene, die besonders herausstach. Der subjektive Höhepunkt von „In Absentia Dei“ war das Schauspiel einer oberkörperfreien Frau bei „Ora Pro Nobis Lucifer“, die zuerst mit Fleischerhaken gepierct und anschließend an Seilen befestigt und an die Decke gezogen wurde. Schwebend über dem Hauptschiff der Kirche drehte sie umher, wie eine Figur auf einer Spieluhr, der langsam das Blut aus den zuvor gestochenen Wunden floss.

Zugegeben, diese Szene war nichts für schwache Nerven und bestätigte, dass die FSK 18 definitiv berechtigt war. Zum anderen ist diese Szene definitiv unter die Haut gegangen und sorgte für einen Moment der Obszönität. Dass Behemoth hiermit klar die katholische Kirche anprangern, steht außer Frage. So gewaltig war die Aussage dieser Performance, die die Musik fast zum Nebengeschehen werden ließ.

Weitere Szenen zeigten eine Tänzerin in einem an der Decke befestigten Reif, Feuertänze, sowie eine Parole Nergals zu „Chwala Mordercom Wojciecha“, die für die polnischen Zuschauer wohl noch ergreifender war, als für den Rest der Welt. Abgerundet wurde das Spektakel dennoch wortwörtlich spektakulär, als Nergal im Regen von Konfettifetzen seine Band mit Feuerkerzen dirigierte und so das Grande Finale von „In Absentia Dei“ erschuf. Zwar haben Behemoth hier nicht wirklich eine Kirche niedergebrannt, aber dass diese Feuerfontänen dies symbolisieren sollen, steht außer Frage.

Behemoth setzen einen Standard

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Alles in allem hat uns „In Absentia Dei“ bewiesen, dass es möglich ist ein Livekonzert so zu streamen, dass man dafür besten Gewissens Tickets verkaufen kann. Sowohl der Sound, als auch die Videoqualität war absolut wertig und überzeugend. In Anbetracht der gebotenen Produktion war dieses Event das vielleicht günstigste Behemoth-Konzert, das ihr hättet sehen können. Dennoch ist und bleibt es ein Livestream, der kein richtiges Konzert ersetzen kann. Behemoth geben vor, wie man ein Streamingevent richtig macht, erfinden hier aber nicht zwingend das Rad neu.

Stattdessen bauen sie Theatralität, Schauspiel und Tanz in ihre Performance ein, die mit zusätzlichen Einblendungen an Cinematizität gewinnt. Es ist gut, dass „In Absentia Dei“ nur für einen Zeitraum von 72 Stunden verfügbar war, denn so ist und bleibt es besonders, eben weil man dabei gewesen sein muss, um es erleben zu können. Wie von Nergal angekündigt planen Behemoth nicht noch einmal ein ähnliches Konzept. Ein neues Album ist auf lange Sicht wahrscheinlich ohnehin nachhaltiger, wenn auch diese Erfahrung, durch ihre Limitierung und Einzigartigkeit ein Event war, das bestens funktionierte.

Behemoth feierten eine schwarze Messe, die durch obszöne Rituale und jeder Menge Feuer zur größten Metal-Show des Jahres 2020 wurde. Es sei denn Rammstein haben etwas dagegen.

Setlist:

Act I
Evoe
Wolves Ov Siberia
Prometherion
From The Pagan Vastlands

Act II
Blow Your Trumpets Gabriel
Antichristian Phenomenon
Conquer All
Lucifer

Act III
Ora Pro Nobis
Lucifer
Satan’s Sword (I Have Become)
Ov Fire And the Void
Chwała Mordercom Wojciecha
As Above So Below
Slaves Shall Serve
Chant For Eschaton 2000

Act IV
Sculpting The Throne Ov Seth
Bartzabel
Decade Of Therion
O Father O Satan O Sun!

Beitragsfoto: Grzegorz-Golebiowski

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