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Kritik: Whitechapel – „The Valley“

Cleangesang. Es gibt kaum ein Element, das in der Deathcoreszene weniger polarisiert. Manche Bands wachsen oder zebrechen daran und gewinnen ...

VON AM 24/03/2019

Cleangesang. Es gibt kaum ein Element, das in der Deathcoreszene weniger polarisiert. Manche Bands wachsen oder zebrechen daran und gewinnen oder verlieren damit ihre Fans. Doch was machen Whitechapel? Kurz und knapp: Sie kreieren die perfekte Mischung ihrer Elemente und binden den Gesang perfekt in ihre Musik ein. Whitechapel liefern mit „The Valley“ ihr vielleicht stärkstes Album ab, was nicht zuletzt am großartigen Gesang von Phil Bozeman liegt.

Ein Pfad für die Zukunft

Wer hätte gedacht, dass ein Whitechapel Album mal mit cleanen Gitarren beginnt? Nun gut, der Schein trügt. Es dauert nicht lange bis die Gitarren, das Schlagzeug, der Bass und natürlich auch Phil Bozemans harsches Organ uns eines Besseren oder eher Härteren belehrt. Relativ schnell wird aber klar, dass sich etwas verändert hat. Denn „When A Demon Defiles A Witch“ haut zwischen harten Blast Beats und Breaks einen nahezu anthemischen Refrain, der so eingängig ist wie Metalballaden von Iron Maiden, Judas Priest oder mittlerweile auch Parkway Drive.

Im Cleanpart von „When A Demon Defiles A Witch“ kann Phil Bozeman erstmals seinen klaren Gesang gänzlich zur Schau stellen und überrascht! Wer hätte gedacht, dass der Sänger mit den brutalen Shouts und Growls so ein zartes und gefühlvolles Stimmchen hervorbringt? Whitechapel arbeiten nun mit extremen Kontrasten und bauen diese spannend aus.

Ich würde nicht sagen, dass der Sound softer geworden ist, sondern vielmehr um eine leicht poppige oder eben cleane Komponente erweitert wurde. Das wiederum kreiert eine große Dynamik, die „The Valley“ anders als bisherige Alben viel abwechslungsreicher und spannender gestaltet. Es scheint als würden Whitechapel den Pfad hin zu zugänglicherer Musik betreten und so wie das auf „The Valley“ klingt, ist dies ein Pfad für die Zukunft.

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Stampfende Breaks und Balladen

Ein Aspekt, der sich in einigen der neuen Whitechapel-Songs versteckt ist der stampfende Rhythmus, wie beispielsweise in „Brimstone“ oder etwa „Black Bear“. Es ist nicht nur der Cleangesang, sondern die generell erzeugte Wirkung einzelner Songs, die zum Teil irgendwie an Slipknot erinnert. Es klingt so, als wären Whitechapel mit „The Valley“ gereift und erwachsener geworden.

Weg von unnötigen Deathcore-Kapriolen, Breakdown-geschwängerten Songs und unnötiger Härte. Hin zu ausstrukturierten, durchkomponierten Songs, die ihre Wirkung vor allem in der Griffigkeit und klanglichen Fülle erzielen. Ein Song wie „Hickory Creek“ fungiert als bestes Beispiel für eben diese Reife und ist für mich zweifelsfrei einer der stärksten Tracks auf „The Valley“!

Anstatt sich der überzogenen Härte zu geben, ist der Gesang fast gänzlich clean und wird in ein angenehm melodisches, instrumentales Gewand gehüllt. Die Shouts sind nur als Layers in den Background gelegt und erzielen damit eine höhere emotionale Wirkung, als der pure Gesang. Dazu ein dezentes Gitarrensolo, aber eben auch der harte Whitechapel-Sound.

„Hickory Creek“ erinnert an die großen Balladen von Slipknot und ist dennoch ein cooler Metaltrack, der so gut strukturiert und komponiert ist, dass es einfach Spaß und Freude macht diesen zu hören. Tatsächlich klingt Phil Bozeman hier sogar ein wenig nach Corey Taylor, was sich stimmig in das Gesamtbild des Tracks fügt.

Die Verwendung von cleanen Gitarren ist so passend wie schön und unterstreicht diesen Aspekt mit einer atmosphärischen Komponente. Es sind eben diese cleanen Passagen, wenn auch sie teilweise nur kurz sind, die die Musik auf „The Valley“ so viel abwechslungsreicher und fülliger erscheinen lassen als bisherige Tracks der Band.

„Third Depth“ ist ein weiterer bemerkenswerter Song, der mich in seiner Art stark an „Hickory Creek“ erinnert. Dabei ergeben sich mir Reminiszenzen von Slipknot und auch Mudvayne, die insbesondere durch den mysteriös angehauchten Sound und den Gesang von Phil Bozeman impliziert werden. „Third Depth“ jedoch mäandert zwischen ruhigen, leicht progressiv angehauchten Passagen und der harten Schattenseite voller Growls und einem harten, leicht technischen Break. Irgendwie erinnert dieses Wechselspiel an frühere Titel von Opeth, die durch diese harte Komponente vor Stärke und Brachialität nur strotzen.

Im Sound von Whitechapel sind es insbesondere die grandios produzierten Gitarren, die hörbar tief gestimmt sind und dem doch überraschend hohen Gesang einen spannenden Kontrast erschaffen. Die emotionale Klimax findet sich im wiederholten „I’m not stable“ wieder, das von einer melodischen und melancholisch angehauchten Gitarrenmelodie erneut in den harten Break, bzw. Chorus gipfelt. Es ist verständlich, warum Whitechapel „Third Depth“ als Single für ihr neues Album wählten, denn der Song gehört definitiv zu den stärksten auf der Platte.

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Whitechapel mit offensichtlichen Einflüssen

Eine Band, die Whitechapel sicherlich beeinflusst hat sind Gojira. Das wird insbesondere bei „Lovelace“ hörbar, da hier der Anfang unweigerlich an die Franzosen erinnert und mit starker Death Metal-Note von sich überzeugt. Viel entscheidender ist aber der Part, der bei 1:12 Spielzeit erklingt. Das „Help me“, welches Bozeman schreit, könnte von Joe Duplantier persönlich kommen und auch das Drumming mit dem Ridebecken ist so verdammt Gojira, dass sich dieser Vergleich so offensichtlich in mein Ohr legt und fast zweifeln lässt, ob das jetzt noch cool oder schlecht ist?!

Wenn sie auf diese Art und Weise Respekt zollen, ist es auch vollkommen in Ordnung, sich einige Elemente bei Größen wie Gojira abzuschauen, denn diese sind nicht umsonst wohl eine der größten Metalbands in Europa. Dennoch ballert „Lovelace“ heftig rein und zeigt einmal mehr, dass Whitechapel sich als Metalband verstehen und ihre Core-Allüren getrost ablegen können.

Genau diese Core-Einflüsse sind auf „The Valley“ mehr und mehr in den Hintergrund geraten und lassen die Musik von Whitechapel einfach erwachsener und reifer wirken. Es benötigt keine unnötigen Breakdowns, da Whitechapel diese mit geschickten und gut komponierten Riffs oder Refrains umgehen. Das heißt nicht, dass Breakdowns schlecht sind, oder gar, dass es keine auf „The Valley“ gibt, doch haben Whitechapel diese so ausgelegt, dass sie nicht nur stumpfe Leersaiten Riffs mit harten Vocals sind.

Alle Songs auf „The Valley“ machen den Anschein, als hätte man sich viel mehr Mühe und Arbeit gemacht ein stimmiges Gesamtwerk zu bilden, das zeigt wie sich die Band in den letzten Jahren entwickelt hat. Dabei ist insbesondere der klare Gesang einer der großen Selling Points, die das Album zu dem machen, was es ist. Ganz ehrlich, wer hätte das gedacht? Zumal Phil Bozeman eigenen Angaben nach niemals Gesangsunterricht nahm, sondern sich alles selbst beibrachte. Respekt!

Wer jetzt schreit: „Was, keine Breakdowns!?“, „Cleangesang?!“ oder etwa „Akustikgitarren, ernsthaft?!“ kann natürlich weiterhin „This Is Exile“ abfeiern, muss aber damit klar kommen, dass sich Whitechapel weiterentwickeln und scheinbar keinen Bock darauf haben die selbe Musik wieder und wieder zu machen. Alle Elemente, für die man Whitechapel lieben kann, finden dennoch Platz auf „The Valley“ und profitieren durch den neuen Sound. Alles in allem gehen Whitechapel hier einen respektablen Schritt, der am Ende dann auch noch wirklich vorzeigbar ist und mit verdammt fettem Sound von sich überzeugt. Fettes Album!

Wertung: 9/10

Band: Whitechapel
Album: The Valley
Veröffentlichung: 29.03.2019

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