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Live bei: STICK TO YOUR GUNS in Hamburg!

Als sich Hardcore zu Beginn der 1980er Jahre formierte, war es eine durch und durch politische Musikszene. Die Inhalte waren ...

VON AM 24/02/2016

Als sich Hardcore zu Beginn der 1980er Jahre formierte, war es eine durch und durch politische Musikszene. Die Inhalte waren ideologisch, es wurden politische Missstände offen kritisiert, Tierschutzgedanken im Veganismus umgesetzt und mit DIY-Ideen versucht, das kapitalistische Wirtschaftssystem zu umgehen. Wenn man sich heutzutage moderne Bands und deren Shows aus der Hardcoreszene und diversen Subgenres anguckt, spürt man bei vielen nicht mehr viel von all dem.

Oftmals geht es in ihren Texten um private Angelegenheiten, Beziehungen und Selbstverwirklichung. Daran ist nichts falsch oder schlecht, jedoch gibt es viele Fans – nicht nur der alten Tage des Hardcores – die das Politische der Szene vermissen. Wie gemacht für diese Fans erscheint die aktuelle Stick To Your Guns-Europatour, bei der Wolf Down, Counterparts und Stray From The Path im Vorprogramm spielen. Bis auf Counterparts sind diese Bands als sehr kritisch und politisch bekannt.

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Möglicherweise ist auch das ein Grund, warum die Show im Hamburger Logo am 20. Februar schnell ausverkauft war. Als Reaktion auf den frühen Ausverkauf entschlossen Stick To Your Guns und Co. am selben Tag noch eine weitere Show für diejenigen, die keine Karten bekommen hatten, zu spielen. Wer diese vier Bands schon einmal live gesehen hat, weiß, dass allesamt auf der Bühne keine Minute still stehen und sportliche Hochleistung in aufgeheizten Clubs hinlegen. Somit ist das Angebot einer Zusatzshow ein wahrer Fanservice, der von einer großen Anzahl an Besuchern in Anspruch genommen wurde.

Dem entsprechend öffnete das Logo um 14:00 Uhr zur besten Mittagszeit seine Türen und gab bekannt, dass auch die Zusatzshow ausverkauft war. Wegen des strammen Tagesprogramms ging es kurze Zeit später gleich mit Wolf Down los. Wenn Wolf Down etwas sind, dann politisch. Doch polarisieren sie auch durch sehr radikale Aussagen und Aktionen. Zu ihrem Auftritt vereinten sich ein paar Fans zum moshen und vereinzelt Textstellen schreien vor der Bühne, während der Rest des Publikums im Halbkreis herum stand und sich zu einen aufwärmenden Kopfnicken bewegen ließ.

Seit 1,5 Jahren haben Wolf Down keine Frontfrau mehr, sondern einen männlichen Shouter. Dave leitete ihre Songs mit Ansprache über Tierrechte und Veganismus ein, zu verachtenden Nationalismus, richtete sich an die Hamburger Antifa und lobte deren Arbeit und brachte zwischendurch auch ein stumpfes „fuck capitalism“. Wolf Down klingen folglich nicht nur musikalisch nach klassischem Hardcore, sondern sprechen auch viele Themen an, die in der Szene beheimatet sind. Dass sie durch ihre Kompromisslosigkeit allerdings bei vielen keinen Anklang finden, zeigte sich auch an diesem Abend.

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Als zweite Band folgten Counterparts aus Kanada. Counterparts positionieren sich weder durch Ansagen noch mit ihren Lyrics politisch. Eher singt Frontmann Brendan über Wut auf seine Mitmenschen, depressive Gedanken und der Bewältigung schlechter Erfahrungen. Das schien jedoch niemanden zu stören – im Gegenteil, als Brendan vor dem ersten Song aufforderte den Halbkreis vor der Bühne mit Leute zu füllen, befolgte das Publikum und gab schon beim ersten Song alles. Weder die Energie und Bewegungsfreude der Band noch die der Besucher ließen darauf schließen, dass es nicht einmal 16:00 Uhr an einem Samstagnachmittag war. Fans stiegen zwischendurch auf die Bühne, schrien ins Mikrofon und legten einen ordentlichen Moshpit auf das Parkett.

Als Stray From The Path danach die Bühne betraten, war es schon so heiß im kleinen Logo, dass der Schweiß kondensierte und von der Decke herunter tropfte. Sowohl Band wie Fans legten nun noch eins drauf und begangen zu Stagediven und Crowdsurfen. Drew von Stray From The Path verschwand selbst kurzzeitig im Publikum. Er wies darauf hin, was es bedeute, eine Hardcore-Band zu sein: die Nähe zu den Fans und darüber zu sprechen, was wichtig ist.

Wichtig sind für sie politische Missstände, die sie in ihren Texten thematisieren. Die Gitarrenarbeit bei Stray From The Path mutete progressiver an als bei den beiden Bands zu vor und so leiteten sie perfekt zu Stick To Your Guns über, die mit jedem Album melodischer und stellenweise ruhiger wurden, weshalb ihnen nicht zuletzt einige Kritiker den Titel „Hardcore-Band“ aberkannt haben.

Jesse von Stick To Your Guns griff genau das auf. Egal, was die Leute sagen, für ihn ist Stick To Your Guns eine Hardcore-Band und eine Hardcore-Band zu sein, ist für ihn gleichbedeutend mit politisch sein und kritische Themen ansprechen. Genau das können Stick To Your Guns sehr gut. Gleich beim zweiten Song „Against Them All“ schreit das ganze Logo mit: „Young and angry, with every right to be!”. Die Setlist enthält ihre stärksten Songs. Sie spielen gleich acht Songs von Diamond und fünf Songs vom neusten Longplayer Disobedient. Das Set schließen sie mit ihrem Klassiker „Amber“ und bringen noch einmal alle zum mitgrölen. Jesse ist begeistert, er springt auf der Bühne umher, lässt einen Fan den Chorus von Nobody singen und klatscht alle in der ersten Reihe ab. Auch Jesse lässt es sich nicht nehmen zwischendurch längere Ansprachen zu halten.

Zum Beispiel darüber, wie dumm Nationalstolz ist. Der Ort, an dem wir geboren sind, sei nach Jesse, reiner Zufall und nichts, worauf man stolz sein könnte. Stolz könne man nur auf eigene Errungenschaften sein. Auch die moderne Leistungsgesellschaft, die jungen Menschen viel zu früh lebensweisende Entscheidungen abverlangt, kritisiert er und richtet sich direkt an das Publikum: es sei okay noch nicht zu wissen, wer man sei und wo man hin will und keiner im Raum sollte sich deswegen schlecht fühlen.

Damit beweisen diese Bands, dass es die Philosophie des klassischen Hardcores doch noch gibt. Musikalisch klang es an diesem Nachmittag vor allem beim Headliner progressiver als vor 30 Jahren, aber Politik findet sich in dieser Szene immer noch.

~ Autorin: Lisa Wittig

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