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Kritik: Pvris liefern mit „All We Know of Heaven, All We Need of Hell“ ab
An Pvris scheiden sich die Geister. Sei es nun wegen der elektronischen Elemente, dem teilweise poppigen Sound oder weil man ...
VON
Michael Milkowski
AM 25/08/2017
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An Pvris scheiden sich die Geister. Sei es nun wegen der elektronischen Elemente, dem teilweise poppigen Sound oder weil man „einfach keine Frauenstimmen mag“.
Man kann vorwegnehmen: Das neue Album „All We Know Of Heaven, All We Need Of Hell“, welches am heutigen Tag über Rise Records erschienen ist, wird an dieser Spaltung mit hoher Wahrscheinlichkeit nichts ändern.
Nach dem Release des ersten PVRIS-Albums „White Noise“ in 2014 ging es für das Trio eigentlich nur nach oben. Mit Ursprung in der Metal & Core-Szene haben Lyndsey Gunnulfsen, Alex Babinski & Brian MacDonald diesen aber mit einer ordentlichen Portion Electronica & Power-Pop kombiniert. Daraufhin folgten viele positive Kritiken in den Medien, ausverkaufte Touren und sehr amtliche Streaming-Klickzahlen auf so ziemlich allen ihren Songs. Und spätestens mit der Support-Tour für BRING ME THE HORIZON haben PVRIS hier in Deutschland auch an Popularität gewonnen. Jetzt ist es also an der Zeit für den zweiten Longplayer:
„Abschied ist alles was wir vom Himmel wissen und alles was wir von der Hölle brauchen“ beschreibt die Situation der Trennung von einem geliebten Menschen mit dem Wissen basierend auf dem christlichem Glauben, dass derjenige von dem man sich verabschiedet hat danach im Himmel ein Paradies erwarten kann. Wir müssen uns aber mit dem Abschied/der Hölle abfinden.
Mitte des Jahres hat Sängerin Lynn ihren Kampf mit Depressionen im NME Magazine öffentlich gemacht. So hat sie es mit Therapien und Gesprächen mit Freunden geschafft aus der „Abwärtsspirale“ herauszukommen und gelernt, ihr Leben wieder bewusster zu erleben und zu gestalten. So sagt sie, dass es wichtig sei sich emotional zu öffnen und auch verletzbar zu machen und seine Gefühle nicht einfach zu verdrängen. Dieser Prozess sei anstrengend und langwierig und so wird klar, dass dieses Album für Sängerin Lynn auch ein Teil ihrer Therapie gewesen sein wird, in dem sie, wie sie selbst sagt, die Geschehnisse der letzten 3 Jahre verarbeitet hat.
Düster und bedrückend ist der erste Eindruck beim Hören des Albums und trotzdem überkommt regelmäßig ein positives Gefühl der Hoffnung und der Zuversicht, dass am Ende doch alles gut wird. Im Vergleich zum ersten Album wirkt das ganze Album in sich runder und auch die Songs wirken reifer. Lynns neu gewonnene Stärke scheint sie auch in ihre Stimme übertragen zu können.
Es ist erstaunlich, wie schnell ihre Stimme von zerbrechlich und traurig zu stark und selbstbewusst wechseln kann. Getragen wird dies von einer perfekt produzierten Instrumentalisierung aus Gitarren, Synthesizern, Drums und mehr. Die Tiefe des Mixes reißt einen förmlich in die Situation und lässt auch erst wieder am Ende des Pvris Albums los.
Hier noch meine Anspieltipps:
Half (Track 2)
„Some days I feel everything
Others are numbing„
„Half my bones in the city streets
The other in my sheets“
Diese Zwiegespaltenheit ist wiederkehrendes Motiv in „Half“. Die Wechsel zwischen laut und leise, zwischen zerbrechlich und selbstbewusst in Lynns Stimme macht die Qualität dieses Songs aus.
„Can you burn a fire in my flesh?
Der Winter ist da wird Lynn ihrer ehemaligen Beziehung wohl nicht gesagt haben. In „Winter“ scheint sie diese zu verarbeiten und beklagt die Kühle ihres Gegenübers. Besonders angetan hat mir hier aber die Rhythmik des Songs, die an Tears for Fears’ „Everybody wants to rule the world“ erinnert und so einen zusätzlich kühlen 80’s Touch bekommt.
No Mercy
„No Mercy“ ist vielleicht der am stärksten nach vorn gehende Track des Albums, welcher durch seine verschiedenen Einflüsse sehr spannend ist. Der Songaufbau könnte auch für einen Trap- oder Future-Bass-Song funktionieren. Ruhige Passagen gefolgt von Steigerungen die einen unweigerlich auf den „Drop“ warten lassen um dann von unerwarteten stillen Passagen überrascht zu werden und die dann von Lynns „Show Me No Mercy“-Ausruf den wohl „aggressivsten“ Song der Platte einläuten.
So beginnt „No Mercy“ mit Synthie-Leads, -Pads und -Bässen, bei denen ich an unweigerlich an Flume denken musste und letztendlich ist es doch die rockigste Nummer des Albums. Insbesondere das im Gesamtkontext doch sehr drückende Ende zeigt doch auf, dass das Trio ihren Bezug zur Gitarrenmusik keinesfalls verloren hat. Vielleicht ist dies sogar ein mögliches Rezept für zukünftige PVRIS-Songs?
Zu poppig oder einfach gut? Gerade der Rock-, Metal- oder Core-Fan benutzt den Begriff „poppig“ gleichbedeutend mit schlecht. Und die Kritiker könnten jetzt behaupten, dass die Platte ebenfalls zu glatt und zu poppig produziert wurde, aber damit tut man der Band Unrecht. Denn „All We Need of Heaven, All We Need of Hell“ ist die mehr als glaubwürdige Weiterentwicklung einer unglaublich vielversprechenden Band, die sich traut aus üblichen Genreklischees auszubrechen und durch die ästhetische Mischung der verschiedenen Einflüsse (Post-Hardcore, Alternative Rock, Indie, Electronica, Future Bass, etc.) den Zeitgeist zu treffen und ein unglaublich starkes Album abzuliefern.
Fazit:
Denn schlussendlich beinhaltet „All We Need Of Heaven, All We Need of Hell“ zehn sehr gut geschriebene, authentisch performte und stimmig produzierte Songs, die vielleicht beim ersten Eindruck einfach „Pop“ sind. Aber dies wäre nur eine der verschiedenen Facetten dieses Albums.
Vielleicht hätte ich mir noch 1-2 Gitarren-lastigere Songs gewünscht, die mehr nach vorn gehen, aber das ist Kritik auf sehr hohem Niveau und vermutlich hätten diese dann nicht mehr in die Stimmung des gesamten Albums gepasst.
Bewertung: 9 von 10
Feature