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Kritik: Obey The Brave kriegen mit „Mad Season“ gerade noch die Kurve

Hände hoch: Wer von euch hat schon einmal vom „Millenial Whoop“ gehört? Wer die Frage mit „ich nicht“ beantwortet und ...

VON AM 29/05/2017

Hände hoch: Wer von euch hat schon einmal vom „Millenial Whoop“ gehört? Wer die Frage mit „ich nicht“ beantwortet und dabei doch Songs von 30 SECONDS TO MARS, KATY PERRY oder KINGS OF LEON kennt, liegt dabei jedoch klar falsch. Viele dieser bekannten und erfolgreichen Pop- und Rock-Künstler der letzten Jahre setzen in ihren Liedern an mindestens einer Stelle auf eine nahezu identische Abfolge von wenigen Akkorden, die in der Regel durch geistreiche Vocals wie “Wa-oh-wa-oh” zum Ausdruck gebracht werden. Leider ist auch das Metal- und Hardcore-Genre vor diesem Effekt nicht sicher, den spätestens PARKWAY DRIVE mit „Home Is For The Heartless“ in leicht abgeänderter Form beliebt machten und der von BRING ME THE HORIZON und STICK TO YOUR GUNS in den letzten Jahren perfektioniert – um nicht zu sagen auf die Spitze getrieben – wurde. Der Unterschied besteht lediglich im Muster, das in unserem Fall die noch immer so beliebten Sing-Alongs ergibt, derer sich auch OBEY THE BRAVE auf dem neuen Album bedienen. Doch, und das ist die gute Nachricht, die Jungs aus Kanada haben auf ihrer dritten LP „Mad Season“ natürlich mehr zu bieten als (erneute) Parts zum Mitgrölen.

Ganze drei Jahre ist es her, dass die Kanadier um Frontmann Alex Erian ihr letztes Album „Salvation“ auf den Markt brachten. Die verhältnismäßig lange Wartezeit auf die neue Platte ergab sich für die Band jedoch nicht freiwillig. Nach dem Release der zweiten Platte stand OBEY THE BRAVE kanadisches Musiklabel vor dem Aus, anschließend strichen die amerikanischen und kanadischen Booking-Agenturen der Truppe die Segel. Zu dem Unglück hinzu kamen ein japanischer Booker, der sich während einer Tour in Asien mit dem Geld der Kanadier aus dem Staub machte, sowie ein Produzent, der mit den fertigen Aufnahmen für das dritte Album sowie dem bereitgestellten Budget von Epitaph verschwand. Unfassbar viel Pech also, an dem OBEY THE BRAVE eigenen Aussagen zufolge fast zerbrochen wären und mehr als genug Gründe, das dritte Album „Mad Season“ zu nennen.

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„Nachdem nun auch Despised Icon zurückgekehrt sind habe ich ein Ventil für wirklich extrem harte Musik zur Verfügung, wodurch ich mit Obey The Brave mehr denn je andere Wege erkunden kann“
, ließ Sänger Erian die Öffentlichkeit im Vorfeld der Veröffentlichung wissen. Und das merkt man auch: „Mad Season“ ist melodischer ausgefallen als die beiden Erstlingsalben. Es entfernt sich mal stellenweise, mal komplett vom brutalen Hardcore-Sound der Anfangstage und bietet neben dem Stil wesentlich mehr Elemente, die für den (klassischen) Metalcore typisch sind. So bekommt man bereits im ersten Track „On Thin Ice“ reichlich clean Vocals im Refrain zu hören, die sich in den folgenden Songs auch auf viele andere Abschnitte erstrecken. Das zweite Lied, die bereits im Vorfeld veröffentlichte Single „Drama“, setzt neben einem Gastauftritt von DESPISED ICONs Vocalist Steve Marois schließlich auf die zuvor angesprochenen Sing-Alongs, die zwar wenig innovativ sind, in dieser Festivalsaison aber sicherlich wieder viele Zuschauer mitreißen werden.

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Nach Lied 3 („On Our Own“) und 4 („Mad Season“), die weitestgehend OBEY THE BRAVE-Standardkost (inklusive Sing-Alongs) bieten, bricht die Band mit „97 Again“ endlich aus ihrem altbekannten Muster aus und setzt neben dem neuen Klargesang auf etwas differenzierten Songaufbau, der sogar gänzlich ohne Mitgröl-Einzeiler auskommt. „Mehr davon!“ möchte man sich gerade denken, als die Québécois (die Bezeichnung für die Einwohner des kanadischen Quebecs) in „Les Temps Sont Durs“ zwar mit altbewährter Formel, aber zur Abwechslungs mal auf Französisch weitermachen. Gerade nachdem IN HEARTS WAKE, KINGDOM OF GIANTS und vor allem GIDEON mit ihren neuen Alben erst kürzlich gezeigt haben, wie abwechslungsreich und mitreißend moderner Metalcore sein kann, ohne dabei allzu sehr auf altbekannte oder gar poppige Elemente zu setzen, ist diese Abwechslung auch dringend nötig.

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In der zweiten Hälfte folgen schließlich die für dieses Album stilprägenden Metalcore-Hymnen namens „Feed the Fire“, „The Distance“ und „Way It Goes“, die dank der klaren und langsamer gesungenen Refrains an Bands wie TRIVIUM und KILLSWITCH ENGAGE erinnern und im Zusammenspiel mit den harten Passagen den „neuen“ Sound von OBEY THE BRAVE ergeben. Kurz vor Schluss gibt es dann noch eine Überraschung: Den vorletzten Track („RIP“) gestaltet der Rapper LOUD LARY AJUST maßgeblich, wodurch hier ein HipHop-Track mit gelegentlichen Rock-Einspielern entstanden ist, der wie für die Band üblich die Stimmung auf ihren Konzerten am Kochen halten soll. Mit dem eher drögen Track „This Is It“ verabschiedet die Truppe schließlich den Hörer, indem sie noch einmal ihr ganzes Repertoire auffährt: Aggressive Momente wie auf den ersten beiden Alben, neu hinzugekommene clean Vocals und entspannte Refrains. Nur die Sing-Alongs aus der ersten Hälfte fehlen (nicht).



Fazit:

OBEY THE BRAVE versuchen mit „Mad Season“ neue Richtungen einzuschlagen. Das wird vermutlich nicht allen Fans gefallen, doch für die gibt es auf dem neuen Album ja noch die harten Momente, wie man sie von früher kennt. Das Problem: All die Sing-Alongs und Breakdowns waren, wenn man mal ehrlich ist, schon damals nicht besonders einzigartig, aber immerhin noch catchy. Auf einem Album im Jahr 2017, während BREAKDOWN OF SANITY auf dem Höhepunkt ihrer Karriere aufhören, um sich nicht wiederholen zu müssen, und andere Gruppen wie GIDEON und IN HEARTS WAKE extrem gute Alben releasen, würde der altbekannte Sound von OBEY THE BRAVE hingegen nur noch wie zum dritten Mal aufgewärmt wirken. Das weiß wohl auch die Band selbst, weshalb sie ihrem Stil mit cleanen Vocals einen frischen Anstrich verleihen möchte. Aber auch das haben andere Musiker nicht nur eher, sondern auch etwas überzeugender gemacht. Als Folge können nur wenige Songs wirklich zwischen den anderen hervorstechen, im Ohr bleiben vor allem die eingangs angesprochenen Wa-oh-wa-ohs. Das macht „Mad Season“ keinesfalls zu einem schlechten Album – die Produktion ist technisch gesehen wieder sehr gelungen und die knapp 40 Minuten Laufzeit vergehen schnell – aber hervorragend wird die Scheibe dadurch insgesamt auch nicht. Das wird aber vermutlich nur die Wenigsten stören, solange OBEY THE BRAVE live auch weiterhin alles zerlegen.

Wertung: 07/10

Band: Obey The Brave
Albumtitel: Mad Season
Songs: 12
Genre: Metalcore/Hardcore

Offizielle Website der Band

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