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Gastkommentar: Festivalsaison 2015 – Die Wahl der Qual?

In seinem Gastkommentar bertrachtet Maik von Watch My Sound den Wandel des Festival-Wesens in Deutschland und nimmt dabei auch die ...

VON AM 14/12/2014

In seinem Gastkommentar bertrachtet Maik von Watch My Sound den Wandel des Festival-Wesens in Deutschland und nimmt dabei auch die möglichen Konsequenzen dieser Veränderungen unter die Lupe. Den Originalartikel findet ihr hier.

Kurz vor Weihnachten stellt sich manchem sicherlich die Frage, welches Festivalticket er sich gerne schenken lassen würde – vorausgesetzt man hat so liebe Mitmenschen oder Familienmitglieder, die eine entsprechend dicke Brieftasche besitzen. Hatte man mit Rock am Ring / Rock im Park, Hurricane/ Southside und dem Wacken Open Air bislang die drei (fünf) größten Anlaufstellen, um seine Festivalsaion hierzulande zu versüßen, mogeln sich 2015 mit dem Der Ring – Grüne Hölle Rock und seinem Zwilling Rockavaria zwei weitere Big Player in diese Reihe. Welche Konsequenzen könnte dies auf die Festival-Landschaft und -Kultur haben? Wir müssen reden!

Ich gehöre zu der Gruppe von Leuten, die jedes Jahr wieder Festivalsaison entgegenfiebert, die nervös wird, wenn neue Bandankündigungen bevorstehen und die Luftsprünge macht, wenn die Lieblingsband oder einfach ein echtes Highlight angekündigt wird. Festivals sind für uns mehr als nur eine Reihe Bands, die nacheinander drinnen oder draußen vor einer größeren (oder kleineren) Anzahl von Menschen auftritt. Auch ist es für die meisten von uns mehr als nur ein einfaches Partywochenende mit dem „Bonus Livemusik“. Für uns ist das ganze ein Ding der Leidenschaft zur Musik und auch das Zusammenkommen von Gleichgesinnten, die für eine gewisse Zeit ihrem Alltag entfliehen können.

Über mangelnde Auswahl können wir uns nicht beschweren. Ob großes Massenevent oder klein, lokal und familiär – vor allem in den Sommermonaten stapeln sich die Festivals in unseren Kalendern, dass man sich manchmal die Frage stellen könnte, ob und wie lange dieser „Trend“ gut gehen kann.

Harter Kern vs. Mainstreampublikum

Dabei ist wahrlich auch nicht alles schön. Vermehrt werden daher die Stimmen lauter, die Kritik über den ansteigenden „Event-Charakter“, die immer größer werdende Anzahl an „Festival-Touristen“ und der immer mehr dem Mainstream ausgelieferten Lineups, äußern. Dabei ist der Grund für diese angesprochenen Punkte kaum zu übersehen:

Die Festivalmacher stehen jedes Jahr aufs Neue unter Druck und müssen zusehen, dass sie den größtmöglichen Anteil an Festivalgängern für sich gewinnen können. Dass der harte Kern der (ursprünglich) angepeilten Zielgruppe nicht unendlich groß ist, versteht sich von selbst. So ist es plausibel, dass der Blick links und rechts von der eigentlichen Linie nicht ausbleibt und Acts für das sogenannte Massenpublikum rangezogen werden. Das muss grundsätzlich nicht von vornherein schlecht sein, stößt aber so manchem Besucher „der ersten Stunde“ auf, wenn beispielsweise Cro beim Hurricane oder Clueso bei Rock am Ring aufschlägt.

Dass nun weitere Festivals wie das Grüne Hölle Rock am Nürburgring oder auch das Lollapalooza in Berlin in den Wettbewerb springen, macht das Problem der Lineups nicht unbedingt einfacher. Es gibt nur eine begrenzte Anzahl an Bands, die die Headliner-Positionen solch großer Festivals ausfüllen können. Selbstverständlich wird die Luft nach oben dünner, je mehr Orte sich in diesem Pool an potentiellen Headlinern bedienen müssen. So ist es auch kaum verwunderlich, dass Bands wie Metallica, Die Toten Hosen, Linkin Park oder Volbeat in immer kürzer werdenden Abständen die oberen Slots besetzen – eben aus Mangel an Alternativen.

Headliner? Wer kann, wer will?

So wird eben einer Band wie Placebo (Hurricane/ Southside) diese Rolle zugespielt, was grundsätzlich gar keine schlechte Wahl ist, dem (riesen)große-Namen-verwöhnten-Festivalbesucher aber nicht so sehr flasht. Anderorts drehen The Prodigy und Die Toten Hosen ihre x-te Runde (Rock am Ring/ Rock im Park), während auch die Neuzugänge vom Grüne Hölle Rock mit Metallica nur bedingt punkten können. Der Kampf um die ganz großen Namen geht letztendlich auch auf den Geldbeutel – nicht nur bei den Organisatoren, sondern auch beim Publikum, wie Folkert Koopmans, Geschäftsführer von FKP Skorpio im Interview mit festivalisten.de erklärt: „Letztendlich haben wir uns dagegen entschieden mitzubieten. Sonst müssten wir unsere Eintrittspreise um 30-50€ anheben. Wir sind jetzt bei 139€ und wollen immer unter der magischen 150€ Grenze bleiben, während die anderen Festivals schon an den 200€ kratzen. Für uns ist es wichtig, den Eintrittspreis halten zu können. Das bedeutet natürlich, dass wir den einen oder anderen Headliner nicht bekommen.“
Damit könnten die Chancen auf ein Engagement von Robbie Williams beim Hu/So wohl gesunken sein. Dieser war nämlich in der Gerüchteküche, was aber wohl genauso eine Ente ist, wie die von Eminem und Rock am Ring 2014. Interessant, wenn auch nicht gerade fördernd für das Zufriedenstellen der Erwartungen der Zielgruppe, wäre dieser Schritt allemal. Obgleich der gute Robbie erst kürzlich für das Pinkpop Festival bestätigt wurde.

Was sagt das ganze über die zukünftige Festivalkultur aus? Festivals werden Jahr für Jahr immer beliebter. Die wachsende Anzahl an Veranstaltungen löst einen immer größer werdenden Konkurrenzkampf um Publikum und Bands aus. Das hat zur Folge, dass Eintrittspreise steigen und/ oder „fremdes“ Publikum angesprochen werden muss, um eventuelle Verluste auszugleichen. Dies wiederum stößt z. B. dem Metal-Head sauer auf, wenn in Wacken plötzlich auch szenefremde Menschen ihre Zelte aufschlagen. Hierdurch droht ein Identitätsverlust, der ganz klassisch am Ring zu beobachten ist, wenn man sich die elend langen Diskussionen anschaut, wenn eben „Nicht-Gitarren“-Acts bestätigt werden – „ich dachte, das wäre Rock am Ring“.

Auch werden wir uns weiter damit anfreunden müssen, dass unsere Lieblingsfestivals ins Schleudern geraten könnten – aus diversen Gründen, sei es auch nur schlechtes Wetter, was z. B. der Tod für ein „umsonst und draußen“-Event sein kann, was man am Beispiel Olgas Rock in Oberhausen sieht, das ohnehin eng kalkuliert ist und sich seine Einnahmen u. a. durch Merchandising, Getränke und Sponsoring ranholt. Die große Auswahl an Events lässt dem Besucher eben das Hintertürchen offen, einfach am nächsten Wochenende zu einem anderen Festival zu fahren. Das haben auch Rheinkultur, Omas Teich oder das Area 4 Festival erfahren müssen, die allesamt die Segel streichen mussten.

Wie sieht es auf lokaler Ebene aus? Kleinere, aufsteigende Bands könnten die Chancen nutzen sich in den Vordergrund zu spielen, wenn sie bereit sind einen entsprechenden Preis zu zahlen. Es könnte passieren, dass gute, aber „günstige“ Bands immer gefragter werden, eben um einem wirtschaftlichen Fiasko seitens der Veranstalter aus dem Weg zu gehen, immerhin werden die meisten Festivals an ihren Headlinern gemessen. Was davor passiert, ist oft erstmal zweitrangig. Ebenfalls ein Trend, der nicht unbedingt positiv zu bewerten ist.

Wertschätzung unbekannter Bands, Fehlanzeige?

Am Beispiel Hurricane und Southside ist wunderbar aufzuzeigen, wie quengelig der heutige Festivalgänger geworden ist. Dass die angesprochenen großen Headliner fehlen, ist nicht von der Hand zu weisen. Mit Every Time I Die, All Time Low, Marteria, The Gaslight Anthem, Milky Chance, NOFX, Lagwagon, Alligatoah oder George Ezra hat man aber dennoch ein ordentliches Mittelfeld vorzuweisen. Machen wir uns nichts vor, wir sind einfach verwöhnt und wollen immer mehr und immer spektakulärere Acts und das am liebsten für so wenig Geld wie möglich. Auch manchem Ringbesucher scheinen Bands wie Rise Against, Eagles Of Death Metal, Body Count, Interpol, Royal Republic oder Slash nach wie vor nicht zu reichen – aber vielleicht sollte man nicht jeden Facebook-Kommentar auf die Goldwaage legen.

Egal wie man sich nächstes Jahr entscheiden wird, sowohl Rock am Ring mit seinem neuen Standort in Mendig oder das Grüne Hölle Rock am Nürburgring werden seine Kinderkrankheiten und Probleme haben, da Routine und Erfahrung mit den jeweiligen Locations schlichtweg fehlen. So kann man gespannt sein, wie erfolgreich MLK auf der einen und DEAG auf der anderen Seite mit der Neu- bzw. Umstruktierung sein werden – abgesehen vom wirtschaftlichen Gesichtspunkt.

Wer ohnehin die nicht ganz großen Namen braucht, kann sich sogar überlegen, einfach zwei bis drei kleinere Festivals anzusteuern. Deichbrand, Serengeti, Open Flair, Rocco Del Schlacko, With Full Force, Summerbreeze, Mair1 – es gibt viele Möglichkeiten auch abseits der „Big Players“ eine gute Zeit zu haben. Einfach wird es einem jedenfalls nicht gemacht. Aber vielleicht kann man dem ganzen Festival-Overload etwas abgewinnen: es wird nie langweilig!

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